Folge 32 Zwei Seelen in der Brust - Christian Frautschi und die Wirbelsäulenseele
- frautschi
- 13. Nov.
- 14 Min. Lesezeit

Heute sprechen wir über das Thema zwei Seelen in der Brust. Wer hat zwei Seelen in der Brust? Wie kann es dazu kommen?
Wie geht man damit um?
Marco
Nun Christian, zwei Seelen in der Brust. Es gibt tatsächlich Menschen, die in gewisser Weise zwei Seelen in der Brust haben. Zum Beispiel die sogenannten Kuckuckskinder.
Also Kinder, die aufwachsen in einer Familie, wo der biologische Vater nicht der offizielle Vater ist. Kinder, die das manchmal oder auch oft nicht wissen. Die haben wahrscheinlich wirklich zwei Seelen in der Brust.
Die wachsen hier in einer Familie auf, mit einer im weitesten Sinne Familienseele. Und sie haben die Seele natürlich ihres biologischen Vaters. Sie haben dessen Gene.
Die haben es zum Teil mindestens schwierig.
Christian
Ja, sie haben es schwierig, weil halt eben... Also erstens einmal, weisst du, so ein Kind, wo irgendwie so entstanden ist, das spürt das. Aber man kann es nicht einordnen.
Das ist irgendwie wie ein... Jemand sagt, ich bin der Typ und ich gehe gerne schwimmen und liebe die Sonne. Und der andere Typ von Mensch sagt, ich will in die Berge, im Herbst will ich auf die Jagd.
Völlig ein anderer Mensch, ein anderer Charakter. Und irgendwie, wenn das so bestimmte Dinge in dir schlummern, aber nicht eigentlich herauskommen. Wenn sie herauskommen würden, dann hätten sie ja nicht so Probleme teilweise.
Aber das ist halt einfach, wenn da so etwas schlummert, das ist wie so eine Ungewissheit. Warum, was und niemand kann das irgendwie erklären. Wenn es ja jemand erklären könnte, dann wäre es die Mutter.
Marco
Die es meistens wahrscheinlich weiß, vielleicht ja auch nicht mal immer.
Christian
Ja.
Marco
Also es sind, vielleicht muss man das auch jetzt mal in den Zahlen noch ausdrücken, es gibt keine hundertprozentigen Studien dazu. Es ist eine schwierig zu eruierende Zahl. Schätzungen sagen, es sind in allen Kulturen und Regionen wahrscheinlich ungefähr 4% der Kinder, also auch der heutigen Erwachsenen.
Natürlich, 4% der Leute sind nicht Kinder ihres offiziellen Vaters. Das ist an sich in Prozent relativ wenig, aber in absoluten Zahlen doch relativ viel.
Christian
Es ist vielleicht in Prozent wenig, aber vom Gefühl her von diesen betroffenen Kindern ist es viel, viel ein größerer und wichtigerer Faktor, als da jetzt so diese 4%. Weil diese Kinder teilweise oder Jugendliche, später Erwachsene, schon irgendwie dann ihre Mühe haben und dann halt irgendwie eine bestimmte Neigung im Leben sich aneignen, hineinfallen damit, sei es mit irgendwelchen Süchten oder was auch immer. Und dass das irgendwo schon nicht ganz so einfach ist.
Ich kenne von einem Fall, das ist ein Bekannter, der war immer völlig anders in der Schule. Er hat immer viel experimentiert und gemacht, hat mal das Schulzimmer mit Kollegen in Brand gesetzt, weil sie da gedüftelt haben in der Chemie und so. Und der Bruder, der ältere Bruder von ihm war völlig seriös und brav und alles.
Und er war halt einfach immer der lebe Mensch.
Marco
Das gibt es natürlich jetzt aber auch in ganz normalen, biologisch normal zusammengesetzten Familien. Manche Geschwister, auch biologische Geschwister sind ja auch nicht genau gleich.
Christian
Ja, das ist schon so, aber ich denke jetzt in diesem Fall. Und irgendwo Vater, Mutter, sehr tolle Menschen, so gut aufgewachsen und so. Und irgendwie doch war halt er einfach sehr anders.
Hat eine Frau gehabt, ist wieder geschieden und hat dann irgendwo mal mit einer neuen Partnerin, mit einer neuen Frau, die sich da mit so bestimmten, wie sagt man, Anatomieregeln auskennt, diese Augenfarbe und diese Augenfarbe, die kann gar nicht zusammenpassen. Das kann eigentlich, rein biologisch kann das nicht sein, dass dein Vater dein Vater ist. Und irgendwie hat es ihn nicht losgelassen und dann ist er auf die Mutter zugegangen, hat ihm dann gesagt, du, liebe Mutter, ich habe ein Problem.
Du musst mir mal eine Frage beantworten und sie hat ihn gar nicht ausreden lassen. Sie hat gesagt, du, ja, dein Vater ist nicht dein Vater.
Marco
Okay, also sie wusste es in dem Fall.
Christian
Sie wusste es, es war der beste Freund von ihrem Mann. Und irgendwie hat das für ihn dann sehr, sehr viel Erleichterung gebracht, weil sein vermeintlich leiblicher Vater ist mittlerweile verstorben und der andere, wirklich der biologische Vater, er hat noch gelebt und durch das hatte er dann wieder einen Vater. Aber eigentlich ist er selbst, wie er selbst sagt und schreibt von sich, dass er ein extremer Egozentriker geworden ist.
Irgendwo halt einfach auch vielleicht als Schutz vor sich selbst, irgendwie als Begründung für sich selbst. Ich bin jetzt halt so und fertig.
Marco
Also weil er gespürt hat, dass er anders ist als die Familie.
Christian
Weil er irgendwo gespürt hat. Das sind halt dann zwei Seelen in dem Sinne, wohl hier lebenden Schweizer, aber halt eben die Seele ist in dieser Familie aufgewachsen, obwohl das sie eigentlich dahin gehört hätte und vom Charakter her mehr vaterbezogen gewesen ist als mutterbezogen. Ja und das ist eines.
Und das andere ist natürlich, wenn man von zwei Seelen in einer Brust spricht, ist es ja auch zum Beispiel sehr oft der Fall bei, wie heisst diese Krankheit?
Marco
Die bipolare Störung, meinst du?
Christian
Ja.
Marco
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Christian
Borderliner, genau, Borderliner. Borderliner, die leben eine Seele, einen Plan, einen Seelenplan, wo sie eigentlich ganz friedliche und gute Leute sind und wenn es irgendwie durch irgendeine Situation oder ein Ereignis umkippt, dann sind sie ein völlig anderer Mensch und irgendwo verhalten sie sich so, wie man sich von diesem Mensch gar nicht denken würde. Ich habe das mal erlebt, ich hatte mal eine Bekanntschaft mit jemandem und völlig, total gute Harmonie, war einfach völlig locker und gut und irgendwie, da haben wir uns eine Woche später gesehen und dann war sie völlig, völlig neben den Schuhen, ein völlig anderer Mensch und irgendwo auf einer Seite hochintelligent, gebildet, alles aus Büchern gelernt, die hatte mehr Fähigkeiten und Wissen als Arzt, obwohl sie nicht Arzt war, sondern ihr Mann oder ihr Ex-Mann respektive und auf der anderen Seite sowas von zerstörerisch und wirklich, ich kenne dich nicht mehr und weiss ich was und weiss wer bist du und völlig, völlig ab der Rolle.
Das sind schon die zwei verschiedenen Seelenteile in einem Mensch, der irgendwie aus einem Grund vielleicht so entstanden ist.
Marco
Da muss man natürlich sagen, dass das ein Krankheitsbild ist.
Christian
Ja, ein Krankheitsbild.
Marco
Eine Persönlichkeitsstörung auf jeden Fall.
Christian
Ja, schon. Ich denke, ich würde nicht unbedingt sagen Krankheit, aber eine Persönlichkeitsstörung ist sicher der treffende Ausdruck, ja.
Marco
Und natürlich schwierig für die betroffene Person selber, die das ja wahrscheinlich auch realisiert und das ganze Umfeld, logischerweise.
Christian
Ja, sicher, weil dann halt solche Persönlichkeiten, wenn sie ausdicken, teilweise ins absolute Fantasieren kommen und irgendwie eigentlich der Wahrheit nicht entspricht oder was auch immer. Ja, das gibt es, ja.
Marco
Und dann gibt es natürlich noch einen anderen Fall, die, ja vielleicht sogar noch zwei andere Fälle, die kulturell gemischte Familie. Die Familie mit einem Elternteil zum Beispiel, ist egal, aus diesem Land hier und aus einem anderen Land, vielleicht einem ganz anderen Land. Und das Kind wächst nun auf mit einem Elternteil von hier und einem aus einer ganz anderen Kultur mit vielleicht ganz anderen Vorstellungen, kulturellen Hintergründen.
Das kann es einem auch schwierig machen. Auch wieder, und das ist eigentlich dasselbe wie beim Kuckuckskind mit dem anderen biologischen Vater, es geht um die Identitätsfindung wahrscheinlich des Kindes, oder? Wenn es herausfinden will, wer bin ich eigentlich und wo gehöre ich hin?
Das ist da wahrscheinlich oft die Schwierigkeit.
Christian
Ja, ich meine, wenn wir sehen, es sind ja nicht nur Kulturen, wo zum Beispiel die Hautfarbe nicht gleich ist, sondern es sind Kulturen zum Beispiel, sehen wir das teilweise in Brasilien, sehen wir das in Thailand oder so, die wirklich unheimlich viel leisten müssen, auf dem Feld, auf dem Acker und, und, und, und, und, und irgendwie alles Mögliche machen müssen, dass sie die Familie, dass sie die Sippe ernähren können und dieser Antrieb sie dazu bringt, halt einfach zum Beispiel, wo sie etwas einfordern können, fordern sie es ein, weil das gehört zu ihrem Lebensinstinkt, dass sie überhaupt Nahrung haben, dass sie überhaupt überleben und dann dementsprechend halt einfach nicht so funktionieren, wie halt wir hier funktionieren.
Und das kann ja vielleicht in einer Beziehung selbst, kann das noch gehen, oder es kann vielleicht im Moment noch gehen, wenn man sich da irgendwo miteinander angleicht.
Marco
Eben, man muss eigentlich eine gemeinsame Familienkultur finden.
Christian
Ja, ja, du sagst es richtig. Ja, es ist eigentlich eine Familienkultur, wo man dann eben auch bei möglichen Kindern so dementsprechend auch vorleben kann. Aber der Schweizer funktioniert so mit Fleiss, mit Arbeit auch, wie er sein Geld verdient, mit einer Ausbildung, studiert oder was auch immer, und dann auf der anderen Seite halt einfach auch mit viel Fleiss, aber mit ganz anderen Mitteln, mit ganz anderen Gegebenheiten, irgendwie für die Sippe, nicht nur für die Familie selbst, sondern für die Sippe das Geld verdienen muss.
Und dann halt eben nach dem Motto, ich muss jetzt was einfordern für unsere Sippe. Meine Großeltern, meine Eltern im Ursprungsland, die wollen von mir unterhalten werden, weil die denken ja, ich bin jetzt in der reichen Schweiz, die haben ja immer viel Geld, weil die haben viele Banken und, und, und, und, aber dass nicht alle so sind, das interessiert sie in dem Sinne gar nicht, sondern sie wollen eigentlich im Sinne der Sippe Geld eintreiben.
Marco
Und es geht ja wahrscheinlich jetzt gar nicht darum, dass sie was ausnützen wollen, sondern einfach sie kommen aus einer Kultur.
Christian
Es ist in die Kultur. Und bei ihnen zu Hause funktioniert das halt so, dass vielleicht eine Sippe von 20, 30 Leuten von zwei oder drei Personen finanziert wird. Und das völlig normal ist, aber für uns hier ist es nicht normal, wir funktionieren anders.
Und das ist halt schon, das kann dann Probleme geben von diesen verschiedenen Ansichten. Und wie gesagt, man kann sich da arrangieren, denke ich, das gelingt auch einigen, ja. Ich kenne auch Familien, wo das wirklich wunderbar funktioniert, wo die Frau dementsprechend auch Deutsch gelernt hat, sich da integriert hat und alles in dem Sinne auch sich so eingerichtet hat, dass sie da in der Schweiz, wo sie wohnt, auch zu Hause ist.
Marco
Also das hängt sicher sehr viel davon ab, wie weit will die Person, die kommt, sind oft Frauen, aber nicht nur, wie weit will die sich wirklich bewusst integrieren?
Christian
Ja, klar, ja. Das ist sehr, sehr wichtig. Das fängt mit der Sprache an, das fängt mit dem ganzen Umfeld an.
Ja, und das ist sehr, sehr wichtig. Gelingt das diesem Paar oder gelingt es nicht?
Marco
Und erlebst du in deiner Praxis Fälle, wo das eben schwierig wird, wo es nicht gelungen ist?
Christian
Ja, sicher habe ich das natürlich, wo ich beide Teile kenne. Gut, wenn ein Mann sehr, sehr gutmütig ist und eigentlich eine ruhige, gestandene Person ist, wo er nichts aus der Ruhe bringt, ist es sicher hilfreich, mit einer solchen Frau zusammenzuleben. Und auch wenn diese Frau zum Beispiel eben immer das Tragische, das Schlimme, schlimme Ereignisse und, und, und immer wieder hervorholt und sich irgendwie an dem hält, weil sie halt vielleicht, ja, auch ein bisschen Opfer sein will und er das halt einfach, du so willst, bist halt so, oder?
Also, was soll's, eigentlich gutmütig. Ja, dann mag das so noch gehen, aber spätestens, wenn die Kinder grösser werden, dann haben die wirklich zwei Seelen in der Brust. Auf der einen Seite die Seele der Mutter, die Kultur von der Mutter.
In dem Fall, wo ich jetzt da erzähle, ist es auch die Hautfarbe und die Haare von der Mutter. Und, aber trotzdem eigentlich bodenständig und beruflich genau wie der Vater. Und irgendwo hat dieser Sohn unheimlich Probleme mit all diesen Gedanken, die von diesen verschiedenen zwei Kulturen kommen, das einzuordnen, weil er ist unheimlich feinfühlig, er ist unheimlich sensibel, obwohl er ein stämmiger, junger Bursche ist, der jetzt in der Ausbildung ist, und irgendwie völlig nicht mehr zurechtkommt und wirklich wie ein Bienenstock im Kopf hat.
Marco
Was hätten die Eltern anders machen können?
Christian
Das kann ich natürlich in dem Sinne so nicht sagen, aber was in einem solchen Fall in der Regel ist, ist das Anpassen von den Kulturen. Irgendwo selbst für sich als Paar, als Familie, eigentlich die eigene Kultur zu bilden.
Marco
Sie hätten über eine Familienkultur diskutieren müssen, eigentlich noch bevor Sie Kinder gehabt hätten.
Christian
Ja, aber wenn die Mutter nicht mal die Sprache spricht, wäre das schwierig. Von hier nach bald 20 Jahren, dann ist es schon schwierig, dann hat man keine Familienkultur entstehen lassen oder gebildet in dem Sinne, sondern er hat sich als gutmütiger Mensch in bestimmten Dingen dieser Kultur angepasst, aber sie hat sich nicht hier bei uns in dem Sinne angepasst. Dann ist es halt schon schwierig.
Aber wie gesagt, es ist nicht einfach. Ich habe von einem Fall, wo ich gehört habe, wo jemand auch eine junge Frau aus einer völlig anderen Kultur in die Schweiz geholt hat, dass sie überhaupt einfach zuerst lernen musste, das Essen, was es in der Schweiz gibt, das zu essen. Nicht zu erwarten, dass man jetzt für sie das Essen macht, was in ihrer Kultur ist.
Weil dort gibt es nur Reis und Bulle und fertig. Und bei uns gibt es noch ein bisschen mehr. Und das ist halt eben auch ein Anpassen.
Und irgendwo ist das schon unheimlich schwierig, trotz all den rosa-roten Wolken, die da in einem solchen Moment herrschen können und über dem Ganzen stehen. Das ist halt schon schwierig, dass man sich da wirklich objektiv mal diesen verschiedenen Kulturen miteinander versucht, das zu akzeptieren.
Marco
Das wird ja eine zunehmende Herausforderung werden, weil die Zahl der binationalen Ehen nimmt zu. Es gibt es einfach immer öfter. Die Leute reisen, die Leute arbeiten in internationalen Firmen und gehen halt mal zu einem anderen Standort.
Die müssten sich nur mehr bewusst sein, was auf sie zukommt.
Christian
Wenn du siehst, von diesem jungen Mann, ein wirklich hübscher junger Mann, der sich einfach da in diese sehr, sehr hübsche, tolle junge Frau verliebt hat, und irgendwo lebt er sein Leben mit Freunden, mit Kollegen, betreibt seine Hobbys, geht Motorrad fahren, macht das, macht das, sehr, sehr aktiv. Und da kommt jemand dazu, der einfach nur ihn will und nichts anderes, wo nicht einmal die Familie kennenlernen will von ihm, sondern wirklich nur ihn alleine und nicht jemand anderes sonst, wirklich so wie besitzen will. Und das ist, trotz rosenroten Wolken, ist das natürlich schon vorhersehbar, dass das in ein paar Jahren zu Gewitterwolken kommt.
Marco
Okay, vielleicht finden Sie sich vorher, das wäre Ihnen jetzt zu wünschen.
Christian
Ja, aber es ist nicht ohne. Ja, es ist sicher nicht ohne.
Marco
Das heißt, es braucht natürlich Entgegenkommen von beiden und wahrscheinlich natürlich von jenem Teil, der aus dem fremden Land hierher zieht, braucht es mehr. Der muss sich hier ganz bewusst und aktiv anzupassen.
Christian
Es braucht viel, viel mehr, weil der Freundeskreis von der anderen Kultur, der ist noch dort. Kommst du hier in die Schweiz, du hast nichts um dich herum. Du hast wirklich nur diese Person.
Aber diese Person hat die Freunde, hat den Job, hat alles rundherum, hat eine Familie, eine wunderbare, tolle Familie. Und all das ist eigentlich so riesig gegenüber dem, was sie hat. Und das gibt unheimlich Druck.
Und wenn er sich diesem Druck hergibt, wenn er das zulässt, dann verkümmert er. Seine Kultur mit den Freunden, mit der Familie und allem, das kommt in den Hintergrund und das ist nicht gut. Man kann sich sicher mal angleichen, aber einfach rundherum alles aufgeben oder irgendwie mit einem schlechten Gewissen am Sonntagmorgen mit den Kollegen in irgendetwas unternehmen.
Und sie sitzt alleine zu Hause, dieses schlechte Gewissen, das ist nicht hilfreich. Das ist wirklich nur eine Frage der Zeit.
Marco
Okay, das ist jetzt einmal das Problem dieses Paares für sich. Und dann sprechen wir hier ja über zwei Seelen in der Brust. Und das betrifft dann eben die Kinder von solchen Paaren.
Die wachsen in diesem Spannungsfeld auf und für die wird es wahrscheinlich schwierig und bleibt vielleicht eben auch schwierig.
Christian
Du sagst Spannungsfeld, ja. Dann ist es in der Seele von diesen Kindern ist wirklich eine Spannung da, ja. Also da ist eine Spannung, weil man hat einen Vater, man hat eine Mutter und irgendwo will man ja sich selbst darin finden.
Marco
Das ist wahrscheinlich genau der Punkt, wo ist man selbst?
Christian
Wo bin ich überhaupt hin? Bin ich jetzt Schweizer oder bin ich die Person aus dieser Kultur? Und wenn du das nicht findest und dann spätestens in der Pubertät, wo eigentlich unsere Zeit ist, um uns zu finden.
In der Pubertät müssen wir rebellieren, wir müssen über die Stränge schlagen, wie man so schön sagt. Wir müssen versuchen, wir müssen Sachen tun, die man sonst nicht tun, die man nicht darf oder nicht durfte als Kind und, und, und.
Marco
Das ist alles sowieso schon schwierig, oder? Auch für die mit guten Verhältnissen.
Christian
Das ist schon schwierig und das macht mit einem unheimlich viel da oben der Platz, der Kopf, um sich da zu finden. Und solche Kinder sind dann schon sehr, sehr nahe an irgendeiner Sucht. Und das habe ich schon sehr oft gelesen, gehört, erfahren hier in der Praxis, dass dann halt eben solche Kinder irgendwie mal durch das Rauchen auf das Kiffen kommen, durch das Kiffen kommen sie auf das, auf das.
Und irgendwo kann es dann schon sehr schwierig werden, ja.
Marco
Und für diese Kinder können wir natürlich nichts tun. Wir können ihnen allenfalls Respekt gegenüberbringen mit dem, was sie haben und mit den Schwierigkeiten, die sie haben. Helfen wird ihnen das nicht viel.
Die müssen sich wahrscheinlich selber einfach wirklich mit ihrer eigenen Identität sehr auseinandersetzen.
Christian
Ja, sie müssen schlussendlich sich selbst finden. Irgendwo in diesem ganzen Dschungel müssen, dürfen sie sich selbst finden. Wenn so ein Kind zu mir kommt, was ja sehr, sehr oft der Fall ist, weil sie halt einfach nicht, die Kinder so nicht in den Griff bekommen oder in der Schule auch nicht in den Griff bekommen.
Wenn ich so ein Kind in der Praxis habe, dann heisst es einfach mal als allererstes den Kopf lüften. Den Kopf irgendwie, irgendwie wie der Haupt, mal ein bisschen entspannen und alles einfach wie so hinunterbringen. Die ganze Muskulatur, das ganze Nervensystem einfach, einfach mal völlig beruhigen.
Dass sie selbst irgendwo überhaupt einmal da sind und sich fragen können oder sich erkennen können, wer bin ich überhaupt, was bin ich überhaupt, geschweige dann, wo will ich hin. Dass da einfach mal wirklich Ruhe hineinkommt. Dass man nicht mehr von sich ablenkt mit einer Sucht, sei es Alkohol, sei es Drogen, sei es Internet.
Viele sind dann auch süchtig mit Spielen, mit Internetspielen. Es gibt ja da genug Möglichkeiten, um da irgendwelche Sucht auszuleben. Aber eben, dass man da sich irgendwo schlussendlich selbst findet.
Marco
Das können wir diesen Kindern wünschen, dass sie die zwei Seelen unter einen Hut bringen. Und denjenigen, die noch nicht Eltern sind, aber vielleicht mal Eltern von einem Kind in einer binationalen Ehe werden, denen kann man einfach sagen, fangt früh genug an, darüber zu diskutieren, wie ihr das machen wollt. Darüber nachzudenken überhaupt.
Christian
Ja, wie man sich das vorstellt, wie man sich das angeht, und wie man sich diesen Kulturen selbst einbringen kann. Dass man wirklich, wie wir gesagt haben, aus zwei Kulturen eine Gemeinschaft bilden können, wo die beiden Kulturen Platz haben dürfen, aber wirklich mit einer Offenheit und mit einer Akzeptanz von beiden Kulturen, aber auch nicht vergessen, wo ist diese gemeinsame Kultur, ist sie da bei uns in der Schweiz, oder ist sie irgendwo, dass man sich da einfach einfügt. Das fängt mit der Sprache an, das fängt mit dem Essen an, dass man sich dem überhaupt auch schrittweise aneignet.
Es kann durchaus sein, dass je nachdem aus welcher Kultur man kommt, dass man das Essen bei uns im ersten Moment gar nicht erträgt, dass es wirklich Zeit braucht, diese Essensweisen von uns hier uns irgendwo anzueignen und schrittweise, dass wir das auch dementsprechend auf- und annehmen können. Sind wir im Ausland, dann können wir auch nichts anderes als das im Ausland essen, was es dort gibt.
Marco
Zusammenfassend können wir sagen, das Leben ist manchmal nicht einfach, wie wir das auch schon in anderen Zusammenhängen erfahren haben.
Christian
Es ist manchmal ein bisschen kompliziert.
Marco
Und man muss es gut machen.
Christian
Ja, und es braucht ganz, ganz viel Gutmütigkeit, manchmal Nervenmitratzeile und manchmal einfach ein bisschen den Wunsch nach einer gemeinsamen Harmonie, trotz aller Hindernisse, die da im Weg stehen. Aber man darf es nicht unterschätzen, was wirklich alles da auf einen zukommen kann. In dem Sinne, bleibt bei euch und hebt den Kopf mal zwischendurch ausserhalb von der rosaroten Wolke oder legt die rosarote Brille mal ein bisschen auf die Seite.
Schaut mal mit euren Freunden oder Kollegen das an. Seid offen für Kritik von Freunden, von Kollegen und schaut dann mal, was ihr damit machen könnt. In dem Sinne, bis dann.
Schönen Tag noch. Ciao.







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