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Folge 28b zum Thema Sucht Teil 2, Christian Frautschi und die Wirbelsäulenseele

  • frautschi
  • 13. Nov.
  • 17 Min. Lesezeit
ree

Das Video wäre zu lang gewesen, darum habe ich mich entschlossen, während dem Schneiden Teil 1 und Teil 2 zu machen, dass ihr da nicht eine Stunde zuhören müsst oder dürft. Das ist jetzt also der zweite Teil und die Fortsetzung vom vorhergehenden Video. Also viel Spass noch beim weiteren Zuhören und bis dann, es geht gleich los.


Heute sprechen wir über Süchte, damit verbunden auch über Drogen. Was sind Drogen? Weshalb nehmen Leute Drogen?

Was machen sie mit ihnen und was sind überhaupt die Hintergründe hinter einer Sucht?


Marco

Vielleicht erwähnen wir hier noch die Gruppe der Benzodiazepine, wo Temesta, eines der bekanntesten ist, ein Beruhigungsmittel, das viele Leute nehmen, von dem man offenbar sehr schnell zum Stich wird und kaum wieder weg, also nicht kaum wieder wegkommt, aber nicht leicht wieder wegkommt.

 

Christian

Das ist so. Ich habe eben das, wie gesagt, auch in der Praxis sehr, sehr oft schon gehört. Ja, mein Arzt hat mir dann Temesta gegeben.

 

Dann sage ich, hey, bitte geh zu deinem Arzt und sage ihm, dass er dir etwas anderes verschreibt, weil Temesta ist ein Medikament, das wirklich abhängig macht. Also der Körper braucht das schlussendlich und der Schreit wirkt wirklich schlussendlich nach diesen Stoffen, die da drin sind und macht sehr, sehr schnell abhängig. Und dann nehmen sie eben dann mehr.

 

Und Temesta ist zum Beispiel auch ein Medikament, das auf dem Schwarzmarkt sehr, sehr verbreitet ist. Also viele in der Schweiz gehen dann irgendwie nach Deutschland oder nach Österreich und bestellen dort Temesta, weil sie mit der Menge, die sie vom Arzt verschrieben bekommen, nicht mehr auf den Effekt kommen, den sie sich eigentlich wünschten. Weil es hat da irgendwie einen Wirkstoff drin, der wirklich sehr, sehr abhängig macht.

 

Und das ist schon krass. Und vor allem auch, wenn man mit Temesta absetzen will, es ist wirklich sehr schwierig. Es kann eben auch diese Reaktionen geben, Depressionen, Schlaflosigkeit und aber wirklich dann Schweißausbrüche vom Feinsten.

 

Also da muss man auch unbedingt davon wegkommen und in sehr, sehr kleinen Schritten langsam sich davon verabschieden.

 

Marco

Und es ist ja wahrscheinlich auch immer ein Abwägen. Du hast jetzt gerade das Wort Wirkstoff gebraucht, was auch nichts Schlimmes ist, denn Wirkstoff ist ein Stoff, der wirkt. Also offenbar wirkt es halt eben auch.

 

Christian

Ja, und vor allem eben, Temesta ist ein Medikament, das halt einfach sehr schnell innerhalb von Stunden wirkt. Also wenn man es einnimmt, innerhalb von kürzester Zeit ist dieser Effekt da. Aber das Problem ist, am anderen Tag schreit der Körper einfach wieder danach.

 

Dasselbe ist bei Obiaten. Das ist sehr, sehr krass in Amerika. Das sind diese Dinge, die ich immer beobachte und sehe, was ist mit diesen Leuten in dem Land, in dem Land, was machen die?

 

Und in Amerika weiss man ja, dass da einfach vieles erlaubt ist, vollkommen frei erhältlich ist in einem grossen Store. Bekommst du das? Bei uns zum Beispiel Melatonin bekommst du bei uns in der Schweiz nur vom Arzt verschrieben und maximal 10 Milligramm.

 

In Amerika kannst du so eine Melatonindose, da ist ein ganzes Gestell voll von unten bis oben in Tablettenform, in Kapselnform für die Kinder, in Gummibärchenform bis zu 100, 120 Milligramm. Völlig legal, du kannst es einfach aus dem Gestell nehmen und mit nach Hause nehmen. Völlig legal und es ist sogar fast Gang und Gäbe, dass Promis, gestresste Leute und so sagen, ja ich gebe meinen Kindern am Abend ein Gummibärchen und dann schläft es gut und dann habe ich meine Ruhe.

 

Es ist schon krass und dort ist es extrem, dass halt eben zum Beispiel generell mit Medikamenten, mit der Opiate, wo für die Schmerzen zuständig ist. Die Opiate sind 25 mal stärker und effizienter als ein Schmerzmittel, fällt mir der Name nicht ein. Also das ist das Valium, ist 25 mal stärker vom Effekt her als Valium.

 

Marco

Okay, was kurzfristig vielleicht Sinn macht.

 

Christian

Ich weiss noch, als ich meine Schulter gebrochen habe, haben sie mir ein Schmerzmittel gegeben, weil es war wirklich verdammt schmerzhaft. Und ich bin dann nach Hause gegangen, nach vier, fünf Tagen oder wieviel, ich weiss gar nicht mehr. Und dann habe ich per Zufall, wirklich per Zufall, habe ich einen Beitrag im Fernsehen gesehen, dass eben in der Schweiz viel zu oft Opiate verschrieben werden.

 

Und dann habe ich diese Schachtel genommen und habe angeschaut. Ja, das ist genau so ein Mittel. Ja, du kannst es problemlos jetzt 10, 15 Tage nehmen und das stillt deine Schmerzen sehr stark.

 

Ja, aber ich musste erbrechen. Es wurde mir schlichtweg schlecht nach der Einnahme von diesem Medikament. Auf eine Seite zum Glück, ich habe dann auch aufgehört damit.

 

Und dann habe ich eben zusätzlich auch diesen Beitrag gesehen, zufällig oder eben nicht zufällig. Und ich hatte nach vier oder fünf Tagen Einnahmen von diesem Medikament bereits Entzugserscheinungen. Also ich hatte Fieberschübe, ich hatte Schweißausbrüche nach vier bis fünf Tagen.

 

Und das ist so krass bei diesen Opiaten, dass die halt einfach wirklich unheimlich schnell, unheimlich schnell süchtig machen. Weil der Effekt halt einfach mal gut findet, die Schmerzen verschwinden innerhalb von kürzester Zeit. Aber dieser Zustand, dieser macht natürlich abhängig und macht süchtig.

 

Und wie gesagt, auch da, das kannst du in Amerika frei in einem Handel, in einem Geschäft, in einem Walgreen oder wo auch immer, kannst du das aus dem Gestell nehmen. Was natürlich sehr fragwürdig ist. Was sehr, sehr fragwürdig ist.

 

Und dieses Problem haben die Amerikaner auch. Also man sagt ja auch, dass irgendwie, ich weiss nicht, 30% oder 40% von den Verkehrsunfällen durch Medikamentenmissbrauch oder Drogenmissbrauch passieren. Und das ist schon krass.

 

Und das siehst du auch. Bei der letzten Amerika-Reise diesen Sommer habe ich ja das ganz, ganz extrem festgestellt, dass die Leute einfach wie so dann ferngesteuert herumlaufen. Und dort sind natürlich die körperlichen Konsequenzen, die sind sehr, sehr deftig.

 

Also das greift das Hirn extrem an. Also das ist genau so schlimm, wie wenn man Drogen nimmt. Und das Problem ist genauso gross.

 

Und eben man sagt, ja okay, der Schweizer Arzt sagt, ich habe dann auch diesen Arzt gefragt, wissen Sie, was Sie mir da gegeben haben? Ja, man nimmt ja das eh nur für ein paar Tage und dann ist es gut. Ja, aber ich wurde im Vorfeld, ich wurde nicht informiert.

 

Und das sagt man, weil die Ärztegesellschaft wird angegriffen und man sagt, sie müssen die Leute informieren über die Opiate, wenn sie das verschreiben. Ist überhaupt nichts gemacht worden. Ich wurde von niemandem, nirgendwo, irgendwo informiert.

 

Und ich habe meinen Arzt dann angefragt und habe gesagt, hey, aber ja, wenn Sie das nur ein paar Tage nehmen, ist das okay.

 

Marco

Also es ist einfach ein bequemer Weg.

 

Christian

Es ist ein bequemer Weg, ein einfacher Weg. Aber in Amerika ist das eines der grössten Probleme, das Sie überhaupt jetzt haben. Weil das Gesundheitssystem in Amerika, wie so vieles, ist schlichtweg am Arsch.

 

Und dann greift man halt eben selbst zu diesen Medikamenten, wenn man schon den Arzt nicht mehr bezahlt bekommt, die Krankenkassen das nicht mehr bezahlen wollen oder eine Behandlung nicht mehr bezahlen wollen, um dass sie überhaupt irgendwie funktionieren können und ihren Job machen können oder müssen. Kaufen Sie halt dementsprechend diese Medikamente und werden dann halt einfach süchtig davon.

 

Marco

Sprechen wir noch über Kokain. Was macht Kokain mit dem Menschen?

 

Christian

Kokain ist halt einfach ein Stimmungsaufheller. Ich weiss nicht genau, aber ich denke, dass es wie ein Red Bull auch wie ein Stimmungsaufheller oder wie die Medikamente, die man da vergibt als Antidepressiva zum Aufheitern, dass da halt einfach Dopamin und Serotonin ausgeschüttet wird oder produziert wird oder vermutlich sogar im Medikament drin ist oder eben mit Kokain dementsprechend produziert wird vom Körper.

 

Marco

Und auch da sind die Zahlen ja verrückt. Auch da gibt es nur Schätzungen. Man kann ja nicht die Leute zählen, weil nicht alle das sagen.

 

Man schätzt, dass auf der ganzen Welt über 300 Millionen Leute Kokain nehmen. Das ist wahnsinnig viel.

 

Christian

Es ist wahnsinnig viel und je bessergestellt ein Land ist, also je reicher ein Land ist, desto mehr wird Kokain konsumiert.

 

Marco

Zürich zum Beispiel.

 

Christian

In Zürich? Also man weiss ja anhand von Abwassermengen, von Abwasseranalysen, dass in Zürich, in der hektischen Stadt mit Börse und Banken und allem, unheimlich viel Kokain konsumiert wird. Im Versteckten, irgendwo in einem Geschäft bekommt man das.

 

Ich habe Restaurants gekannt, wo der Geschäftsführer mit Kokain gehandelt hat. Es war nur eine Frage der Zeit. Und dann ging das Restaurant zu, weil er halt einfach, wenn er selbst zu wenig konsumiert hat, dass er aggressiv wurde, dass er im Entzug war und dementsprechend mit dem Personal umgegangen ist oder mit den Gästen umgegangen ist, was sehr unschön war, als Resultat der Entzugserscheinungen.

 

Und das ist halt schon, es gibt eine Veränderung vom Hirn, von den Hirnströmen. Und dementsprechend, es putscht auf, es putscht scheinbar extrem auf, dass man halt dann viel, viel leistungsfähiger und viel konzentrierter arbeiten kann. Ich meine, in Zürich, rund um die Börse, mit den Börsenhändlern und, und, und, und, in den vielen Banken, wo da wirklich abliefern müssen, ist dieses Thema sehr, sehr groß und dementsprechend auch im Abwasser auch sichtbar.

 

Marco

Während die jetzt aber nicht die klassischen Suchtpatienten sind.

 

Christian

Ja, weil sie dementsprechend nicht unbedingt auffallen. Sie fallen nicht unbedingt in der Gesellschaft auf, weil es ist ein Stimmungsaufheller, dass man fokussierter arbeiten kann. Und daran ist doch eigentlich nichts schlecht, wenn das nicht ein Suchtmittel wäre, schlussendlich.

 

Genau, auch wie halt dann einfach LSD zum Beispiel, sagt man auch, dass das häufiger in kleinen Mengen am Morgen zu sich genommen wird, um eben einen strengen Arbeitstag zu übernehmen, äh, zu überleben und durchzustehen. Und dass man da ist, eigentlich von der LSD, von der grossgrösseren Mengen, auf kleine Mengen, aber für regelmässige, also fast täglich zurückkommt und dass das scheinbar Einzug hält, ja. Und äh, ja, es ist halt, es ist die hektische Gesellschaft.

 

Es ist eine sehr teure Stadt, eine Stadt, die halt einfach sehr, sehr aktiv ist und mit all den Geschäften und dem Börsenhandel und all den Turbulenten und was dazu gehört, und man da einfach bestehen will. Und das ist schon krass, aber dort ist ganz klar, dass je besser die Gesellschaft gestellt ist, weil es ist relativ teuer für den Konsum.

 

Marco

Ja, viel teurer als ein Red Bull.

 

Christian

Ja, ich weiß nicht, was ein Red Bull kostet, ich habe es gar nicht gerne. Aber ja, es ist halt so, dass es dann dementsprechend konsumiert wird.

 

Marco

Und kommen wir vielleicht damit zurück zur Frage, warum tun die Leute das letztlich aufgrund der Umstände, die Banker haben Stress und müssen irgendwie funktionieren, andere Leute haben das, die jetzt theoretisch eine Frau erwähnt als Beispiel, die Alkohol trinkt aus Einsamkeit. Ich habe ein paar Artikel gelesen und den Satz gefunden, viele Menschen greifen nicht aus Spaß zu Drogen, sondern aus Not. Bist du mit dem Satz einverstanden?

 

Christian

Ja, schon, aus diesen Gegebenheiten aus dem Leben, wo halt einfach da sind und mal entstehen können, dass es halt, wie soll ich sagen, mal einfacher ist, mit dem umzugehen von einem einmaligen Konsum, dann halt vielleicht etwas weiter geht und dementsprechend dann zur Sucht wird. Aber mit diesen Aufputschmitteln, sage ich jetzt mal, das ist eigentlich ein gesellschaftliches Problem. Aber es gibt natürlich Süchte, die etwas kompensieren möchten.

 

Eben, wenn dir im Leben etwas fehlt, dann wirst du das kompensieren mit irgendetwas. Sei es mit fehlender Liebe, sei es fehlende Aufmerksamkeit, sei es fehlende Feingefühle oder was auch immer. Wenn da irgendwie etwas fehlt, teilweise aus der Kindheit auch, wenn es halt da dementsprechend zu wenig auf dich eingegangen wurde und da ein Mangel an zum Beispiel Körperkontakt ist, was wir dann sicher noch darauf zukommen, betreffend Handy, betreffend Social Media.

 

Wenn da ein Mangel ist, dass halt das eben dann schlussendlich zu einer Sucht respektive zu einem Kompensieren über ein Suchtmittel dann wie so zugedeckt oder zugeschüttet wird.

 

Marco

Was ein Stück weit bedeutet, man muss Verständnis haben mit dem Süchtigen, er macht es aufgrund von schwierigen Umständen.

 

Christian

Die schwierigen Umstände im Leben kann man annehmen, akzeptieren, man kann aber auch weitergehen. Man muss ja nicht das Leben lang irgendwie an einer schwierigen Kindheit den Grund geben, dass man schlussendlich süchtig geworden ist. Sorry, aber für das haben wir eigentlich eine Pubertät, dass wir genau das Gegenteil machen von dem, was unsere Eltern uns vorgelebt haben.

 

Darum muss man eben pubertieren, man muss wild sein, man muss ausprobieren, man muss eben Verbotenes machen und, und, und. Und um irgendwo für sich dann den Nenner zu finden, was stimmt für mich. Und was dann stimmt für mich für meine eigene Persönlichkeit.

 

Und wenn man halt einfach in der Kindheit vielleicht einen Mangel hatte von irgendetwas, dann gibt es immer zwei Möglichkeiten, entweder ich trauere das Leben lang danach, oder ich ändere es und schaue einfach vorwärts und lebe mein Leben selbst und nehme das selbst in den Griff.

 

Marco

Okay, das wäre das Rezept, das ist ein Satz, den du ja auch sonst schon bei vielen anderen Gelegenheiten gesagt hast.

 

Christian

Generell, wenn es schlussendlich um eine Sucht geht, ich kann dieser Person, die kommt, nicht die Sucht nehmen. Da verlieren alle, das geht nicht. Also ich kann nicht von einem Tag auf den anderen durch meine Behandlung sagen, du trinkst jetzt nicht mehr.

 

Das funktioniert nicht. Das geht schlichtweg nicht. Sondern für eine Sucht muss der Antrieb, um diese Sucht abzulegen, muss immer vom Süchtigen selbst kommen.

 

Ich habe schon oft, werde ich angefragt, ja, Raucherentwöhnung und und und, gesagt, da musst du selber Verantwortung übernehmen für dieses Problem. Das kann ich nicht lösen. Ich kann dem deutlich machen, dass es keinen Sinn macht.

 

Wie gesagt, ich habe auch letztens jemandem gesagt, hast du eigentlich das Gefühl, dass du dir jetzt dein ganzes Leben versauen willst, indem du dich einfach sinnlos besaufst? Das kann doch nicht sein.

 

Marco

Eben, ein Stück weiter, aber dann kannst du ihm schon stupsen und ihm helfen.

 

Christian

Ich kann ihm stupsen und dann kann er es absetzen. Dann hat er es aber, er hat das selbst in der Hand. Ich habe das schon wunderschöne Sachen erlebt.

 

Dass ein 20-jähriger, ich sage jetzt mal Bursche, junger Mann gekommen ist und ich spürte ihm an, dass er Cannabis konsumiert, dass er eben lethargisch war. Er hatte die, irgendeine, glaube ich, Autoprüfung oder was, irgendwie nicht bestanden. Es war einfach harzig in seinem Leben.

 

Irgendwie bin ich dann vor ihn hingestanden, habe ihm in die Augen geschaut und gesagt, du hast das Gefühl, dass das für dein Leben, dein Cannabiskonsum förderlich ist? Du weißt doch, dass es dich lethargisch macht und du stehst dir selbst völlig im Wege mit dem. Du hast noch so viel vor dir und ich finde das einfach idiotisch.

 

Ich finde das wirklich einen Scheiss. Hör auf mit dem. Wirklich so gesagt, in diesen Worten.

 

Und irgendwie stimmt das eigentlich. Das nächste Mal, wo er gekommen ist, hat er gesagt, ich habe aufgehört. Er hat Autoprüfung gemacht, hat Motorradprüfung gemacht und hat wirklich wieder angefangen zu leben.

 

Und es geht und es funktioniert. Aber wenn ich mit jemandem so arbeite, arbeite ich eigentlich am Ursprung, wo dieses Problem eigentlich überhaupt mal entstanden ist. Nicht aus Spaß irgendwie in Alkohol oder in ein Drogen zu kommen, sondern wirklich, um etwas zu kompensieren.

 

Und dieses Kompensieren, das kann man auflösen. Dass es schlussendlich ein Suchtmittel nicht mehr braucht.

 

Marco

Jetzt haben wir bis anhin ja eben über Suchtmittel gesprochen, über Substanzen, die man sich auf verschiedenen Wegen dem Körper zufügt. Du hast vorhin schon das Handy erwähnt. Das ist ja eine nichtstoffliche Sucht, in dem Sinne Internet, Glücksspiel, Kaufsucht, was immer.

 

Es gibt Süchte, die in einem Verhalten liegen. Die Hintergründe sind wahrscheinlich ganz ähnliche.

 

Christian

Dort ist natürlich auch sehr stark die Gewohnheit beim Handy. Man hat es sehr, sehr schnell zur Hand. Man kann sofort auf irgendeine Art und Weise korrespondieren.

 

Man kann bestellen. Es vereinfacht einem das Leben sehr, sehr extrem. Aber es verbirgt unheimliche Probleme, die wir in den nächsten 10, 20 Jahren, behaupte ich jetzt mal, zum Suchtnummer 1 oder 2 werden.

 

Marco

Weil eine Generation heranwächst, die einfach mit Ihnen aufwächst.

 

Christian

Weil eine Generation heranwächst, die nicht mehr miteinander direkt kommunizieren, die nicht mehr Konflikte austragen, weil das müssen sie nicht mit dem Handy. Sie können einfach den Kontakt löschen oder was auch immer. Und die Ablenkung in dem Sinne vom Handy, von den Social Media, die wirklich dich abhängig machen, weil sie werden ja belohnt mit einem Smile, mit einem Emoji oder was auch immer.

 

Und das löst natürlich in einem ein Glücksgefühl aus. Und genau dieses Glücksgefühl will man immer wieder haben, sei es im Spiel oder sei es eben im Konsum oder wie auch immer, wo das schlussendlich in uns ausgelöst wird. Und das führt zu dem Problem, dass wir nicht mehr die Spiele haben, die wir früher hatten, die körperlich waren, ein Schachspiel wird auf dem Handy gemacht.

 

Solitär Jass-Spiel, wie das heißt, das hat nicht den gleichen Effekt, wie wenn man zu vier, zu fünf, zu sechs am Tisch sitzt und Karten spielt mit allen Emotionen und allen Gefühlen, die dazugehören. Man lebt das nicht mehr. Und das ist genau in einem Alter, wo diese Kinder heranwachsen oder herangewachsen sind, von 2010, 2011, 2012, wo das iPhone seinen Markt erobert hat mit verschiedenen Apps und was man alles machen kann, dass man nicht mehr das so gespielt hat, wie man das früher eben in einer Gruppe, menschlich untereinander, gelöst hat, gespielt hat, geärgert wurde oder was auch immer, oder eben Konflikte ausgetragen werden mussten, das fehlt.

 

Und diese Reaktionen fehlen dem Hirn für die Entwicklung, dass da die Verbindungen schlussendlich geschaffen werden, um grösser zu denken, um, wie soll ich sagen, vernetzter zu denken und dass man eben im Alltag später viel besser umgehen kann mit dem Leben. Und das wird mit einer Handysucht, mit einer Social-Media-Sucht alles vollkommen unterbunden und man weiss schon, heute sind, obwohl das ganz viele Psychiatrieplätze geschaffen wurden in den letzten Jahren, non-stop voll und können all die Jungen, die da kommen, dann schlussendlich mit 15, 20, 25 Jahren gar nicht mehr aufnehmen. Also werden wir schlussendlich wiederum einen höheren Konsum haben mit Antidepressiva und weiss ich was alles.

 

Marco

Also eine Spirale im dümmsten Fall. Du hast jetzt gerade gesagt, umgehen können mit dem Leben, das ist das, was dann vielleicht fehlt. Es scheint nicht so einfach zu sein, das Umgehen können mit dem Leben.

 

Christian

Ja, weil man es dann nicht mehr gewohnt ist. Ich meine, wir haben ja schon mal darüber diskutiert, Handy an der Schule. Du hast mir ja gesagt, du bist in einer Schule, arbeitest noch nebenbei in einer Schule, wo Handyverbot gilt.

 

Sag mir mal, was hat das bewirkt in der Schule, dieses Handyverbot?

 

Marco

Die Schüler sprechen wieder miteinander. Tatsächlich ist es ein anderes Bild. Also vorher war es ja zum Teil wirklich nicht lustig.

 

Die standen auf dem Pausenplatz in der Pause, jeder mit dem eigenen Handy. Manche haben, was aber auch wieder absurd ist, mit dem Handy ein gemeinsames Spiel gespielt. Sie sind im Halbkreis dagestanden und haben wenigstens miteinander gespielt, aber mit dem Handy und keiner hat gesprochen.

 

Vielleicht mal ausgerufen, wenn was gut ging oder schlecht ging. Und heute stehen sie in diesen Kreisen oder Halbkreisen und sprechen miteinander, spazieren über den Pausenplatz. Das, was wir früher gemacht haben.

 

Genau wie wir das auch hatten, das kommt wieder. Und ich glaube, das war tatsächlich eine gute Entscheidung, dieses Verbot, damit sie wieder miteinander sprechen können und sie kommen auch, merke ich, nach der Pause in einem besseren Zustand ins Zimmer zurück.

 

Christian

Ja, also ich hoffe auch, dass es wirklich ganz in der ganzen Schweiz verboten wird und halt vom Schulstoff wieder weggeht. Man hat es ja schlussendlich effektiv im Schulstoff integriert und eingesetzt. Und das habe ich noch nie gut gefunden.

 

Und dass wirklich wieder der Mensch selbst, nicht ein Gerät, der Mensch selbst wirklich wieder im Vordergrund steht. Und das, was du gesagt hast, man ist wieder in der Gruppe auf dem Pausenplatz, man spricht oder spielt Fussball miteinander, man hat Kontakt, man hat Konflikte, man will mit dem Ball, man will gewinnen und all diese Sachen, auch der Körperkontakt, was auch sehr, sehr wichtig ist, für die Entwicklung von einem Kind, weil er dann widerstandsfähiger wird, wenn später halt einfach andere Sachen auf ihn hineinprassen, dass das halt viel mehr wieder gefördert wird.

 

Und ich sage auch, ich finde es gut und dringendst notwendig, dass die Jungen, dass die Schüler, die Jungen, die Teenies und so, dass die irgendwie in einem Verein sind, in einem Fussballclub, in einem Handballclub oder was auch immer, irgendwelche Sportart oder vor allem Mannschaftssport gemacht wird, weil das schlussendlich wieder ein bisschen kompensieren kann, was im Alltag mit den Social Medien oder mit dem Handygebrauch nicht mehr aktiv ist.

 

Marco

Also das ist jetzt einerseits ja ein Weg, um überhaupt nicht in eine Abhängigkeit in der Sucht zu geraten, das ist wahrscheinlich das Beste, man fängt gar nicht an mit Suchtverhalten. Was können wir vielleicht zum Schluss Leuten mitgeben, die jetzt in irgendeiner Art von Sucht sind? Verschiedene haben wir erwähnt.

 

Was ist der erste Schritt oder wie viele kleine Schritte kann man machen? Wo fängt man an?

 

Christian

Nehmt am Leben wieder teil. Weil diese Leute, die nehmen am Leben teilweise nicht mehr teil. Sie sitzen alleine zu Hause, sie sitzen irgendwo und sind in ihrem Delirium.

 

Geht wieder hinaus. Lässt das Handy zu Hause. Geht hinaus, geht in die Natur hinaus, wie ich es schon tausendmal gesagt habe.

 

Hört den Vögeln zu, wie sie pfeifen. Schaut den Enten zu, wie sie da übers Wasser gleiten. Schaut irgendwo, was überhaupt um dich herum geschieht.

 

Wenn die da draussen sind, wenn die in der Natur sind, nicht unbedingt in einer Stadt, dann hörst du nur immer einfach in einem Lärmpegel irgendwelche Tram und Autos und was auch immer, sondern wirklich in die Natur hinaus und konsumiert diese Natur. Die kann wirklich auch süchtig machen, aber dann ist das auch eine sehr positive Sucht in dem Sinne. Diese Geräusche, die in der Natur herrschen, die irgendwie in einem Wald, das Rascheln von irgendwelchen Viechern, die da im Wald herumgehen und dort leben, das sieht man und hört man, je mehr man es macht, sieht man und hört man das auch wieder und kann eigentlich mit der Natur in dem Sinne wieder teilhaben.

 

Und in dem Sinne werden dann eben auch unsere Glücksstoffe und Glückshormone ausgeschüttet. Ich habe schon früher immer ein Gabriolet gehabt und wo ich noch wirklich sehr taff als Unternehmer unterwegs war, habe ich das Dach offen gehabt und irgendwie durch die Gegend gefahren. Nachdem ich meine Firma geschlossen habe und ich auch meinen persönlichen Crash hatte, nachdem ich dann wieder ein bisschen zu mir gekommen bin, auch finanziell, habe ich mir wieder ein Gabriolet gekauft und habe mich gewundert, wieso ich jetzt selbst mit geschlossenem Dach die Vögel wiederhöre.

 

Ja, ich war berieselt vom Geschäft, ich war berieselt vom Tun als Unternehmer erfolgreich zu sein und dementsprechend einfach zu handeln und habe eigentlich das Wesentliche vom Leben, alles was uns herumläuft, nicht mehr wahrgenommen. Also wie gesagt, geht in die Natur hinaus und zwischendurch mal ein Stück Schokolade, denke ich, kann da helfen und dem widmen wir uns jetzt auch und genießen das und schauen, dass es nicht zur täglichen Sucht wird.

 

Marco

Was wir vielleicht auch noch sagen, also deine Klientinnen und Klienten kommen zu dir, wenn sie Hilfe brauchen sowieso. Rein statistisch sind uns in unserem Publikum jetzt auch recht viele irgendwie suchtbetroffene Leute. Es gibt Hilfsangebote, das muss man vielleicht auch erwähnen.

 

Du hast jetzt natürlich einfach gesagt, man muss sein Leben in die Hand nehmen, wieder am Leben teilnehmen. Es mag sein, dass es der einen oder dem anderen schwerfällt. Da gibt es Hilfsangebote, die einen unterstützen.

 

Christian

Ja, man darf halt da einfach auch mal über den Schatten springen und halt einfach dazustehen. Wo ich im Jahr 2000 alles, was ich überhaupt hatte, verloren habe. Ich habe kein Geld mehr, kein Bett mehr, ich habe überhaupt nichts mehr.

 

In diesem Moment musste ich auch meinen Stolz, ich bin ein Macher, ich bin ein Mensch, der immer aktiv ist und so, und immer gesagt habe, es gibt immer eine Möglichkeit, es gibt immer irgendwie eine Lösung für ein Problem. Es gibt nicht Probleme, sondern es gibt Lösungen. Und dann in diesem Moment musste ich mir auch eingestehen, Christian, jetzt bist du wirklich am Arsch und jetzt steh verdammt nochmal selbst dazu und nimm das irgendwo in die Hand und schaue wieder vorwärts.

 

Und ich habe wirklich in diesem Moment, habe ich auch, wenn mich jemand gefragt hat, konnte ich auch dazu stehen, sagen, ich habe meinen Stolz, ich habe meine Ehre, ich habe mein Bett, ich habe mein Geld, ich habe alles verloren, ich stehe dazu, aber ich komme wieder. Und ich habe dann in diesem Moment einmal zu einer Kollegin gesagt, das, was ich jetzt habe, das ist irgendwann ein Geschenk. Sie hat mir geantwortet, du bist so ein Arsch.

 

Wie kann das ein Geschenk sein, wenn du an diesem Punkt stehst? Da habe ich gesagt, warte ab, doch, es ist ein Geschenk. Und es wurde ein Geschenk, weil ich einfach zu mir gestanden bin und mich wieder aufgerafft habe und da bin und stehe, wo ich heute bin.

 

Und genau diese Person, die mir das gesagt hat, war damals schon dem Weißwein verfallen und ist heute noch genauso.

 

Marco

Okay, dann hast du es besser gemacht. Scheinbar. Ja, ihr macht es auch besser.

 

Christian

Steht dazu, seid ehrlich zu euch und man darf einfach irgendwo seinen Stolz verstecken und dazu stehen, wie es einem geht und Hilfe in Anspruch nehmen. In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal. Okay, Prost.

 
 
 

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