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Folge 19 Handy und die Gesundheitlichen Folgen. Christian Frautschi und die Wirbelsäulenseele

  • frautschi
  • 11. Nov.
  • 16 Min. Lesezeit
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Das Smartphone. Es informiert, verbindet, unterhält. Aber was macht es mit uns?


Marco

Heute wollen wir über das Smartphone sprechen, in erster Linie über die negativen Auswirkungen des Smartphones. Ja, was tust du da, Christian? Das ist genau das.

 

Spaß beiseite. Ja, aber bevor wir jetzt aber nur über das Negative sprechen und wir werden viel über Negatives sprechen, sprechen wir am Anfang auch ein bisschen etwas über Positives. Natürlich kann ein Smartphone sinnvoll sein.

 

Ich glaube, da sind wir uns einig.

 

Christian

Ja, ich denke schon, das Smartphone sehr effizient kann sein, sehr sinnvoll kann sein. Ich denke zurück an die erste Zeit, wo ich ein Smartphone gehabt habe. Da war ich noch Unternehmer und das war für uns damals ein riesen, riesen Fortschritt, weil wir konnten, ich hatte eine Handelsfirma mit Autoersatzteilen und hatte drei bis vier verschiedene Chauffeure, unterwegs in verschiedenen Gebieten in der ganzen Region im Umkreis von 50 Kilometern.

 

Und die mussten bei Kunden Waren bringen, aber auch Ware abholen, um sie zu bearbeiten und dann wieder zurück zum Kunden zu bringen. Und durch das konnten wir unheimlich viel sparen, Zeit sparen, man musste nicht am Morgen abholen und am Nachmittag bringen. Man konnte beim Bringen bei einem anderen Kunden gleich irgendwo in der Nähe etwas abholen und in den Betrieb zurücknehmen.

 

Und durch das war das unheimlich effizient, also das war wirklich eine riesen, riesen Hilfe. Das war noch zu der Zeit vom Nattel-C, vom C-Netz, was es heute gar nicht mehr gibt. Und war natürlich auch nur auf den Hauptverkehrsachsen überhaupt erreichbar, dort standen die Antennen.

 

Aber desto trotz, es hat sehr, sehr viel Erreichterung gebracht gegenüber den Pagern, die wir vorher hatten, wo wir da irgendwelche Nachrichten schreiben mussten. Ruf bei der nächsten Telefonkabine an, du musst noch etwas abholen oder was auch immer. Also wie gesagt, es hat sicher viele Vorteile.

 

Was heute in der heutigen Zeit auch sicher Vorteile hat, das ist bei älteren Leuten. Sie sind aktiver, sie sind besser beim Geschehen, sie sind besser informiert, sie können ihre Freunde, ihre Bekannte im Erstfall oder im Normalfall problemlos erreichen heute. Es funktioniert problemlos und einfach.

 

Und das ist ganz klar, dass natürlich dann mit diesen verschiedenen Gegebenheiten vom Mobilgerät nicht nur Solitaire spielen oder so, aber selbst das für ältere Leute kann der geistigen Vitalität sicher helfen und unterstützen. Und halt einfach, dass man viel mehr aktiv irgendwo am Geschehen teilnimmt. Logisch, die älteren Leute schauen halt einfach auch sehr oft immer aufs Handy, wenn da irgendwo von irgendeiner Zeitung irgendwie ein negativer Bericht aus Botschaft kommt, wie sagt man dem, so eine Information, wo halt immer noch aktiv ist zu Zeiten, wo das Leben ein bisschen schwieriger war mit diesem Käfer da, wo irgendwie in den Leuten umher schwirrte, wo man auf jedes Nachricht irgendwie eine Anweisung kam, wie man sich zu verhalten hat oder was auch immer. Und da ist ein bisschen ein Nachteil, dass die halt die Meldungen, sei es von den Zeitungen oder wo auch immer, da immer noch bekommen und dementsprechend auch ausgenutzt wird.

 

Ja, aber sonst generell kann man sagen, dass es für ältere Leute sicher ein Vorteil ist von der ganzen Kommunikation her, dass überhaupt noch kommuniziert wird, dass man irgendwie die Schwiegertochter oder den Sohn nicht nur am Sonntagmorgen irgendwie mal zufällig sieht beim Altersheimbesuch, sondern unter der Woche irgendwie vielleicht mal einen kleinen Schwatz getätigt werden kann.

 

Marco

Also das Handy hat natürlich unbestrittenermaßen viele positive Aspekte, aber auch wahrscheinlich noch mehr Schattenseiten oder Seiten, mit denen die Gesellschaft umzugehen lernen muss, betrifft jetzt wahrscheinlich vor allem die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft. Spürst du das bereits bei deinen Klientinnen und Klienten? Kommen Leute, die Probleme haben wegen übermässigen Handygebrauchs?

 

Christian

Also wegen dem übermässigen Handygebrauch in dem Sinne kommen sie natürlich nicht, weil wenn das jemand betrifft, dann gibt er das ganz sicher nicht zu. Das ist wie bei jeder Suchtperson sonst. Aber wenn es sich natürlich körperlich zeigt mit Nackenproblemen zum Beispiel, das heisst jede dritte Anmeldung, die kommt im Moment, egal vom Alter von den Leuten, sind Nackenprobleme.

 

Weil wenn es da schon eine Schwachstelle ist, egal wegen was, das haben wir vorher und werden wir auch nachher noch diskutieren, wo die oberen Brustwirbel und die unteren Halswirbel betrifft, durch die Haltung vom Mobilegerät dementsprechend natürlich die Belastung in der Vipersäule größer ist und dann viel früher eigentlich die Beschwerden, die man eh schon hat im Nacken, dass die dann noch mehr auftreten.

 

Marco

Okay, das ist jetzt einfach mal eine ganz physische Äußerung, weil der Kopf zu schwer ist, um den ganzen Tag so vorne zu sein, weil es hinten Belastung gibt.

 

Christian

Das ist das eine und das andere ist, generell heisst es, wenn dein Blick gerade ist, dann schaust du in die Welt, du schaust ins Leben hinaus. Wenn der Blick da ist, dann hast du eine geneigte Haltung. Geneigte Haltung siehst du sehr oft bei älteren Menschen, die einsam sind, die depressiv sind.

 

Also, wenn ich diese Haltung unterstütze, indem ich immer am Mobilegerät bin und nicht mehr in die Ferne schaue, heisst das ganz klar, dass das Folgen hat auf die Psyche in den nächsten Jahren.

 

Marco

Würdest du jetzt, wenn man das überspitzen wollte, auch sagen, sogar wenn ich in dieser geneigten Haltung etwas Lustiges oder Erfreuliches sehe, kann es auch dann negative Folgen haben für meinen Stimmungszustand?

 

Christian

Auch wenn es etwas Lustiges ist, das ist okay, das ist gut für das Gemüt, ja. Das ist okay, es gehört auch dazu, dass zwischendurch wirklich lustige Dinge sind. Bei den Jungen sind es sehr oft schadenfreudige Ereignisse, die da irgendwie jemand auf einer Rutschbahn hinuntergleitet und irgendwie so unten ankommt, wie es nicht sein sollte oder was auch immer, wo dann eben mehr Schadenfreude als normale Freude darin ist.

 

Ja, das gehört auch dazu, das ist ganz klar. Aber es gibt ganz vieles anderes, was natürlich auf dem Handy auch da ist. Das ist die Spielsucht, die Abhängigkeit vom Handy und wo dann eben dieser Blick dementsprechend immer so ist.

 

Und man nicht mehr wahrnimmt, was überhaupt um einen herum geht. Also sehe ich das, wenn ich am Morgen zur Arbeit komme, ich fahre irgendwo glaube ich an drei Busstationen vorbei, dieser Blick, das sieht niemand, wer da vorbeifährt. Man hört es vielleicht, aber man sieht es nicht mehr.

 

Und auf die Dauer ist es ganz klar, dass das psychische Folgen haben wird.

 

Marco

Also es hat psychische Folgen, man sieht nicht mehr in die Welt hinaus. Du hast ja eben gesagt, wenn man gerade ist, sieht man in die Welt hinaus. Das mit dem Sehen ist ja ein weiterer Punkt, tatsächlich, insbesondere in China vor allem, überhaupt in Asien, aber es kommt jetzt auch zu uns, gibt es eine große Zunahme von Kurzsichtigkeit bei Jugendlichen, die tatsächlich einfach die Augen nicht mehr feststellen können auf Distanz.

 

Christian

Kurzsichtigkeit wird ein riesen Problem werden, weil das Auge gewöhnt sich daran, gehe nachts auf den Sitzplatz oder auf den Balkon, schaue auf dein Handy, lege es weg und dann siehst du, obwohl es Sternenniveau ist, du siehst keinen einzigen Stern.

 

Marco

Ist es wirklich so?

 

Christian

Du musst fünf oder zehn Minuten warten, dann siehst du die Sterne wieder. Also das heisst, bis sich das Auge wieder angepasst hat, auf in die Ferne zu schauen. Und dieses Nonstop aufs Handy schauen, aber auch auf den Bildschirm schauen, ist ganz klar, dass sich die Augenlänge, die Augenform sich dementsprechend anpasst und das Resultat ist Kurzsichtigkeit.

 

Ich glaube, in China sind die Hälfte der Leute kurzsichtig. In der Schweiz hat in einer Gesundheitssendung einen Bericht gezeigt, dass es extrem am Zunehmen ist. Und das ist schon krass, was da mit dem Körper passiert und was sich da schlussendlich daraus resultiert.

 

Marco

Also da braucht es wirklich einen neuen Umgang damit. Es gibt ja die Empfehlung von der WHO, man soll pro Tag, das gilt auch für Erwachsene, mindestens zwei Stunden sich draußen aufhalten. Das eine ist das, das sagen viele Leute, man soll Himmel über dem Kopf haben.

 

Tut, glaube ich, einfach gut. Das, was du ja auch immer sagst, ausgehend bewegen. Und das andere ist, wenn man draußen ist, sieht man in die Ferne und die Augen können sich in die Ferne einrichten.

 

Das fehlt offenbar ganz vielen Leuten.

 

Christian

Dass sich die Augen wieder erholen können. Dass sich die Augen wieder überhaupt entspannen können. Und das ist unheimlich wichtig, auch wenn du am Bildschirm arbeitest.

 

Zwischendurch einfach wieder ein paar Minuten in die Ferne schauen. Und die Augen entlasten. Das hat Folgen.

 

Das hat Folgen. Diese Folgen, die werden immer schlimmer. Also ich denke, wenn man schaut in 10, 20 Jahren, die Folgen vom Handy, von den Mobilgeräten.

 

Was gibt es jetzt seit 20 Jahren? Wahrscheinlich ungefähr so etwas. Werden in den nächsten 20 Jahren viel, viel ersichtlicher sein.

 

Und ich denke, noch viel, viel wichtiger sein als andere Süchte, was der Mensch so zu sich nimmt.

 

Marco

Also tatsächlich, wir werden über das Thema Sucht noch zu sprechen kommen. Das ist ja eine andere Art von Sucht. Es ist auch eine Sucht, sie ist nicht abhängig von einer Substanz, die man einnimmt.

 

Aber es ist tatsächlich eine Sucht, an diesem Handy zu sein. Und das nimmt offenbar auch sehr zu.

 

Christian

Wenn du eine Nachricht bekommst, oder wenn du ein Spiel spielst und du gewinnst dort einen Punkt oder was auch immer. Dann gibt es einen Dopaminschub und einen Serotoninschub. Wenn das immer wieder geschieht, dann gewöhnt sich das Hirn an diese Schübe.

 

Und wenn du dann einen Tag kein Handy bei dir hast, dann hast du bereits Erzugserscheinungen.

 

Marco

Okay, das ist verrückt. Wir würden vielleicht Schokolade essen oder eine Cremeschnitte. Aber ich kann einen Tag ohne Schokolade sein.

 

Okay, ja, das ist nochmal etwas anderes.

 

Christian

Ob es sinnvoll ist oder nicht, das sei dahingestellt.

 

Marco

Die Frage ist ja wirklich, wie geht die Gesellschaft damit um? Wie gehen die Jugendlichen damit um? Wir zwei können das jetzt hier nicht lösen, aber wir können aufrufen.

 

Man muss einen neuen Umgang damit lernen.

 

Christian

Weißt du, es zieht so viel nach sich. Die Leute sind nicht mehr verlässlich. Die jungen Leute sind nicht mehr so verlässlich.

 

Du kannst jeden Termin und jeden Arztbesuch heute mit dem Handy steuern. Wir haben noch nie so viele Verschiebungen und Absagen kurzfristig bekommen wie in den letzten 2-3 Jahren.

 

Marco

Also du meinst jetzt auch hier, wir bei euch in der Praxis? Ja, bei uns in der Praxis.

 

Christian

Gut, es gibt auf der anderen Seite auch die Möglichkeit für solche Leute, die kurzfristig kommen können, können wir das wieder auffüllen. Ja, aber das ist ein Riesenaufwand.

 

Marco

Es ist Aufwand und es ist ein Zeichen für das Tempo der Gesellschaft.

 

Christian

Wir haben im Monat mit 300-500 Quinten zu tun und das gibt einen solchen Aufwand. Immer wieder, das wird schwieriger. Und ich will nicht zum Beispiel, dass unsere Termine via Handy registriert oder gebucht werden können.

 

Ich will das nicht. Wir wollen noch das Persönliche. Es ist ja auch nicht mit jedem Klienten genau gleich dringend, wie jemand kommen muss.

 

Das beurteilt Maggie, da an diesem Tisch vor dem Computer, wo sie zwischendurch in die Ferne sieht. Und je nach Anmeldung sieht sie, was für eine Dringlichkeit da ist für einen Termin. Und das wollen wir so beeibehalten und das ist auch sehr, sehr wichtig.

 

Bei mir ist überhaupt alles, was persönlich ist, unheimlich wichtig. Der persönliche Kontakt. Ja, ich könnte Fernheilungen machen, mache ich nicht.

 

Ich mache keine Fernheilungen. Ich unterstütze vielleicht jemanden, wenn er eine Prüfung hat oder wenn er irgendwie an einem Anlass ist, wo er reden muss oder was auch immer und früher Angst hatte vor dem. Aber das mache ich nur, wenn jemand wirklich da in der Praxis war und wirklich unter meinen Händen war.

 

Wenn ich spreche, dass ich in den letzten 20 Jahren etwa 13.000 oder 14.000 Klienten hatte, dann waren die hier in der Praxis. Und nicht irgendwo.

 

Marco

Also du sagst, wir wollen noch das Persönliche und dieses Persönliche ist genau das, das geht verloren mit dem Handy.

 

Christian

Das geht verloren, die Kommunikation. Ich denke, das weißt du ja. Ich muss schnell erklären, Marco gibt drei halbe Tage oder wie viel?

 

Marco

Vier halbe Tage.

 

Christian

Vier halbe Tage gibt Marco Schulunterricht und in dieser Gemeinde, wo er arbeitet, wurde Handy auf dem Schulhausareal verboten.

 

Marco

Genau.

 

Christian

Erzähl mir mal, wie hat sich das Verhalten der Jungen verändert mit diesem Verbot?

 

Marco

Es hat sich grundsätzlich mal positiv verändert, soviel kann man sagen. Ich sitze an der Schule seit einem Jahr. Es entspricht eigentlich den Hoffnungen und Erwartungen.

 

Sie sind entspannter, sie sind ruhiger. Wenn sie nach der Pause ins Klassenzimmer kommen, kommen sie friedlicher als vorher, weil sie haben miteinander gesprochen in der Pause. Sie sind miteinander über den Platz spaziert, was sie vorher oft nicht getan haben, weil vorher stand jeder für sich allein an seinem Handy.

 

Standen hunderte von Jugendlichen auf dem Platz herum mit dem Handy. War ein total anderes Bild, ein schlechtes Bild tatsächlich. Und jetzt sprechen sie miteinander, spielen, was eben passiert.

 

Sie lassen sich aufeinander ein. Das ist ein gutes Zeichen, ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. Das wird auch mehr kommen.

 

Mehr und mehr Gemeinden und Kantone werden Verbote erlassen, so wie es ausschaut. Wahrscheinlich wird das in wenigen Jahren der Normalfall sein, an Schulen werden Handys verboten sein.

 

Christian

Ich habe gehört, im Kanton Aargau wird der ganze Kanton... Kommt jetzt. Kommt jetzt, Handy frei.

 

Kanton Wallis will das auch einführen. Und Irgendwo, wo irgendwie so etwas ist. Ich glaube, der Kanton in der Schweiz will das.

 

Aber auch verschiedene einzelne Gemeinden.

 

Marco

Sogar nur einzelne Schulen in einzelnen Gemeinden haben das auch schon eingeführt. Also es kommt.

 

Christian

Ja, ich finde das sehr gut. Ich denke auch, dass es so in Sachen Mobbing, Mobbing, wo mit einem Mobilgerät ganz einfach zu tätigen ist und ganz fies auch teilweise gemacht wird, dass das durch dieses Handyverbot eben auch ein bisschen...

 

Marco

Je weniger Stunden sie dran sind, desto weniger wird passieren. Ich glaube schon.

 

Christian

Und eben, ich denke auch, dass überhaupt wieder einmal miteinander geredet wird. Das ist doch schon mal was. Weil teilweise die Jungen, das hat mir mal mein Sohn erklärt, hat gesagt, weisst du, unter zwei, drei Flaschen Bier sprechen meine Freunde nicht.

 

Ist das nicht krass?

 

Marco

Ja, das ist es tatsächlich.

 

Christian

Und auch dieses Kurzfristige, das Unverbindliche, wird so stark gefördert mit diesen Geräten. Es gibt Restaurants, die effektiv nur noch Reservationen annehmen, wenn man einen Betrag vorausbezahlt, also auf der Kreditkarte belastet wird. Weil das eben die jüngeren Leute teilweise in zwei oder drei verschiedenen Restaurants gleichzeitig reservieren und dann entscheiden am Abend selbst, in welches das sie gehen.

 

Marco

Und dann eben so unhöflich sind, nicht mal abzusagen.

 

Christian

Nicht mal abzusagen. Das sind halt diese unschönen Nebenerscheinungen. Aber weisst du, ich arbeite für Menschen mit Menschen.

 

Und ich arbeite auch mit Kleinkindern, mit Babys. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, dann sieht es kaum was. Es sieht irgendwo 20 oder 30 Zentimeter in den nächsten paar Monaten.

 

Aber ein Kind, die Seele, spürt die Mutter. Die Seele spürt den Vater oder wer auch immer. Es spürt und das gibt Sicherheit.

 

Eine Mutter kann einen Raum verlassen und das Kind weint, obwohl es das Kind nicht sieht, dass die Mutter den Raum verlassen hat. Und die Mütter wissen das, dass das so ist. Wenn die Mutter am Handy ist, ist die Mutter in der Nähe vom Kind nicht präsent.

 

Sie ist in Gedanken. Das heisst, mit den Gedanken, mit seinem Tun, mit ihrer Seele, mit einem Seelenteil, ist sie bei der Kollegin, beim Kollegen oder wo auch immer. Sie ist nicht beim Kind.

 

Diesen sozialen Kontakt über die Seele braucht das Kind. Das Kind muss greifen lernen. Das Kind muss hören lernen.

 

Das Kind lernt später laufen, lernt gehen, weil sie die Erwachsenen sehen, wie sie herumspazieren, wie sie herumlaufen. Du kannst nicht einem kleinen Kind sagen, steh jetzt auf und laufe. Sondern die finden das für sich selbst heraus, wie man aufsteht, wie man geht, wie man läuft.

 

Ob die Eltern das früher oder später wollen, ist ihnen völlig egal. Das geht in ihrem Rhythmus, in ihrer Zeit. Und genau dasselbe ist mit dem Kontakt, den man mit einem Kind hat.

 

Früher hat man ja gesagt, wenn du in den ersten paar Monaten das Kind immer bei dir hast, mit einem Tuch oder so, dass es eine unheimliche Bindung gibt und eine Selbstsicherheit gibt. Und dasselbe gilt auch später noch. Wenn du irgendwo bist mit den Gedanken, deine Seele, deine Gefühle, deine Emotionen dort sind, dann bist du nicht beim Kind.

 

Und das geschieht später, dass soziale Kontakte, der Kontakt zu fremden Menschen, den Kontakt, Sicherheit zu haben, dass man geschützt ist und trotzdem nach aussen gehen kann und in die Welt hinaus gehen kann im Prinzip. Das geht verloren, das ist krass, das ist ganz extrem.

 

Marco

Also das schadet wohl der Entwicklung des Kindes.

 

Christian

Das schadet der Entwicklung vom Kind. Und das darf man sich wirklich bewusst sein.

 

Marco

Ich glaube, hier kann man nicht sagen, muss man.

 

Christian

Da muss man mal sagen, muss man, ja. Aber das ist ja dasselbe, der Kontakt, die Kinder brauchen den Kontakt. So wie die Kinder später den Kontakt in der Spielgruppe brauchen, in der Schule brauchen, zur Gleichaltrigen, um sich zu entwickeln.

 

Aber in den ersten Monaten und ein, zwei, drei Jahren ist die Bindung zu den Kindern, zur Mutter extrem wichtig. Und diese Folge, das sind schlussendlich Folgen, die mit Depressionen und weiß ich was alles folgen werden. Und diese Anteile von diesen Symptomen, das wissen wir, dass das bereits heute schon sehr stark am wachsen ist.

 

Also sämtliche Kinderpsychiatrien, Kinderpsychiater sind völlig am Anschlag und ausgelastet, wo eigentlich gar keine neuen Klienten, so klein wie sie sind, annehmen können.

 

Marco

Also es klingt dramatisch und ist letztlich tatsächlich eine Folge von jetzt in diesem Fall bei den jungen Müttern, wie sonst auch bei den Teenies, Suchtverhalten. Es ist Suchtverhalten.

 

Christian

Es ist eine Sucht, es ist ein Suchtverhalten. Wenn du auf der Strasse bist, im Straßenverkehr bist und eben auch herumschaust und nicht aufs Handy, dann wird einem bewusst, wenn ich aus der Praxis schaue, da unten ist die Hauptstrasse, ob es ein LKW-Chauffeur ist, ob es ein Mami ist, ob es ein Papi ist oder wer auch immer, oder der Junge, der mit dem Fahrrad vorbeifährt, oder eben das Mami, der mit dem Kinderwagen dem See entlangläuft. Der Blick auf das Handy, das ist krass.

 

Das ist echt krass. Man sagt bereits heute, dass in Amerika eine Studie gezeigt hat, dass bereits heute 20% der Verkehrsunfälle auf Schuld von Ablenkung auf das Handy geschehen.

 

Marco

Das ist verrückt. Ich habe bei uns etwas Ähnliches gelesen. Es ist viele, nämlich ungefähr bei uns, nehmen ja die Unfälle wegen Alkohol ab, weil die Leute weniger trinken.

 

Aber tatsächlich, ich habe auch gelesen, die Fälle, die wegfallen durch Alkohol, die werden jetzt wieder kompensiert durch solche, die dazukommen, durch Handy. Weil die Leute, wer am Handy ist, fährt eigentlich genauso schlecht wie ein Betrunkener.

 

Christian

Das ist krass. Du hast keinen Überblick mehr. Und das kommt sogar heute so weit, dass viele Jungs und Mädels ab 16 Jahren ein Motorrad fahren, 125 Kubik, beschränkt auf 125 Kubik.

 

Diese Motorräder, ich weiss nicht, 100, 110, fahren die auch heute bereits, oder noch schneller, ich weiss nicht. Selbst mit ihren Motorrädern sind die teilweise am Handy. Weil für sie das völlig normal ist.

 

Weil für sie der Blick aufs Handy im Strassenverkehr mit einem Motorrad völlig normal ist.

 

Marco

Das ist eigentlich das Verrückte eben. Das ist krass. Für uns ist das nicht normal, aber für sie schon.

 

Christian

Ja, für sie ist das normal. Was ist was? Das ist wirklich krass.

 

Marco

Was muss oder kann die Gesellschaft tun? Wir zwei können die Leute hier ermutigen, verbessern sie ihr Umfeld, tun sie, was sie können. Aber die Gesellschaft können wir natürlich nicht ändern.

 

Da kommt etwas auf die Gesellschaft zu, das die Gesellschaft als Ganzes lösen muss.

 

Christian

Vernunft und halt eben aufhören, das Normalste der Welt aufs Handy zu schauen. Reduzieren. Wenn du den Kindern vorlebst, dass man am Handy ist, dann nehmen die Kinder das nach.

 

Früher, wenn die Eltern geraucht haben, rauchen die Kinder zu 90%. Du kannst keine Kinder erziehen. Du kannst nur Kindern vorleben.

 

Wenn du Kindern vorlebst, dass es noch etwas anderes gibt, dass es noch ein Gespräch gibt am Mittagstisch und die Hände auf die Seite gelegt werden, dann kannst du denen das vorleben. Früher sagte man, man geht nicht vom Tisch, bis jeder Einzelne am Tisch fertig gegessen hat. Ich habe das auch früher mit meinen Kindern angeführt.

 

Am Anfang war es recht hart, um das durchzusetzen. Aber wo es dann schlussendlich normal war, haben am Mittagstisch, wenn alle gegessen haben, die schönsten Gespräche stattgefunden. Dann hat man über diese Dinge, die man nicht hätte tun sollen, auf dem Schulweg oder wo auch immer, hat man erzählt und man hat darüber gelacht.

 

Und das gibt es heute nicht mehr. Ich war letztens in einer Pizzeria. Zwei Tische, zwei Familien, ganz viele Kinder.

 

Da eine Pizza, da Pasta, da war das. Jeder hat da irgendwo was gegessen. Jedes Kind, selbst das kleine Kind, wo der Kopf bis hier zur Tischkante kam, hat ein Handy in der Hand gehabt.

 

Die haben gespielt oder was auch immer nachgeschaut. Zwischendurch mal gegessen. Das war so krass.

 

Die Eltern natürlich auch. Da hat niemand miteinander gesprochen. Niemand.

 

Dann ging es ums Zahlen. Der Chef der Familie hat dann bezahlt. Dann hat die Mutter sämtliche Handy eingepackt.

 

Und man ist gegangen.

 

Marco

Das Handy einpacken hätte sie eigentlich vor dem Essen machen sollen. Ich habe gedacht, das gibt es nicht.

 

Christian

Aber es verwundert mich überhaupt nicht, weil genau dieses Verhalten, das habe ich vor zehn Jahren in Amerika erlebt, wo das noch viel krasser war damals. Bei uns war das zu dieser Zeit noch nicht so verbreitet. Aber das war vor 15 Jahren.

 

Da sind die Kinder und die Eltern mit dem Mobilgerät an den Frühstückstisch gekommen. Das ist krass. Heute sind wir in der Schweiz genau gleich weit.

 

Marco

Also muss man dringend Empfehlungen an Eltern herausgeben? Zum Beispiel, eigentlich logisch, keine Handys am Essstisch.

 

Christian

Ja, das wird gesprochen, so wie in der Schule. Man würde sehr viel mehr von den Kindern erfahren. Ja, wahrscheinlich auch.

 

Vielleicht sogar, wie es ihnen geht. Ja, das wären die Gelegenheiten. Das kann doch nicht sein, dass sie, so wie es den Kindern geht, schlussendlich irgendwie einem Psychiater oder wem auch immer erzählt werden muss.

 

Marco

Das kann es doch nicht sein. Nein, tatsächlich nicht. Und das müssen die Eltern machen.

 

Und vielleicht eine andere Möglichkeit. Andere Fachleute empfehlen ja, vor dem Zu-Bett-Gehen das Handy für eine Weile auf die Seite zu legen, damit man besser einschlafen kann. Aber das kann man nicht, das könnte man auch sonst tun, irgendwann am Tag, ich weiss nicht, eine Stunde, zwei, ohne Handy.

 

Christian

Ja, das wäre ein guter Ansatz, ja. Man sagt, jede Stunde vor dem Zu-Bett-Gehen am Handy heisst 24 Minuten weniger guter Schlaf. Logisch, weil der Melatonin-Ausschub wird gehemmt durch das blaue Licht vom Handy.

 

Und wie soll man dann noch müde werden? Am Morgen redet gut zum Aufstehen, zum Aufwachen. Und am Abend eine Dosis Melatonin zum Schlafen.

 

Ich weiss, in Amerika ist das normal. In Amerika hast du ein 3 bis 4 Meter breites Regal auf der ganzen Höhe mit Melatonin-Gummibärchen, mit Melatonin-Tabletten, alles überhaupt völlig legal zu kaufen. Was bei uns alles, glaube ich, was über 10 Milligramm ist, über eine Arztverschreibung erfolgen muss.

 

Marco

Krass. Aber wir kommen dorthin. Wir lösen die einen die Probleme und die anderen nicht.

 

Ja, natürlich, das ist, wir kommen dorthin, wenn wir Glück haben, vielleicht nicht ganz, aber die Welle rollt, das ist schon so. Was würdest du abschließend Eltern mitgeben? Eltern von Jugendlichen, wo vielleicht die Eltern selber auch ein Problem haben mit ihrem eigenen Handykonsum, aber natürlich auch mit dem von den Jugendlichen.

 

Was kann man pauschal sagen, was ist das Wichtigste?

 

Christian

Anfangen mit der handyfreien Zeit. Anfangen zum Beispiel beim Essen eine handyfreie Zeit. Ist eigentlich ein kleiner Anfang, aber es ist vermutlich der allerschwierigste Anfang.

 

Aber fangt bitte an. Also, die Entwicklung mich interessiert den Menschen, mich interessiert, welche Entwicklung hat, welche Folgen für meine zukünftigen Klienten. Und wenn ich daran denke, was da auf uns zukommt, ich finde es nicht lustig.

 

Marco

Ich finde es echt nicht lustig. Ja, bist du es wahrscheinlich nicht, aber wir können...

 

Christian

Der Kopf kann nicht mehr abgeschaltet werden. Das ist krass. Und in dem Sinne, handyfreie Zeit einführen, so viel wie möglich.

 

Marco

Ja, und ab heute. Ja, oder gestern. Gestern, okay, noch besser.

 

Christian

Noch besser, weil wir sind in einer schnelllebigen Zeit. Also, gestern schon. Tschüss.


 
 
 

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